Vegane vs. pflanzliche Ernährung – Ein einfacher Vergleich
Menschen lieben Kategorien. Wir alle wollen oder müssen uns in manchen Belangen im Leben in eine Schublade stecken. Das trifft umso mehr zu, wenn es um Essgewohnheiten und Lebensstil geht. Wo auch immer man sich online ein Profil erstellt, zum Beispiel in einer Dating-App, kann man in der Regel ankreuzen, welcher Ernährung man nachgeht
Omnivor? Vegetarier? Pescetarier? Flexitarier? Veganer? Vermutlich wird die Liste im Laufe der Jahre noch länger, denn aus irgendeinem Grund sollen wir uns immer irgendwie als irgendwas identifizieren. Lass uns also mal eine grundlegende Frage klären: Eine vegane vs. pflanzliche Ernährung – was ist der Unterschied?
Vegane vs. pflanzliche Ernährung: Warum muss ich in eine Schublade?
Natürlich haben Kategorien und Label ganz praktische Gründe. Wenn du sagst, dass du Vegetarier bist, dann werden die meisten Menschen verstehen, dass du kein Fleisch isst. Klar, manchmal kommen noch Detailfragen zu bestimmten Tierarten, aber in der Regel ist das Gesamtkonzept des Vegetarismus bekannt.
Vegetarisch ist vermutlich die bekannteste der genannten Kategorien. Witzigerweise hat sich die Bedeutung des Wortes mit der Zeit aber stark gewandelt. Der Ursprung des Wortes liegt im Lateinischen „vegetus”, was so viel bedeutet wie „lebendig”. Dort entspringt auch die „Vegetation” und die englischen „vegetables”.
Das Wort vegetarisch wurde dann im 19. Jahrhundert dazu gebraucht, um Personen zu beschreiben, die keinerlei tierische Produkte sondern rein pflanzliche Kost konsumierten. Heute wären das also die Veganer.
Aber was ist nun der unterschied zwischen der veganen und pflanzlichen Ernähung? Wenn du die Etiketten auf Lebensmittelprodukten liest, werden dir willkürlich beide Wörter begegnen, aber meistens nicht gleichzeitig. Vielen Menschen ist der Unterschied daher gar nicht klar.
Wer is(s)t „rein pflanzlich“ und warum?
Der Begriff rein pflanzlich (im Englischen: plant-based) wird in erster Linie konkret im Ernährungskontext genutzt. Du kannst dich rein pflanzlich ernähren, ohne einen veganen Lebensstil zu haben. Rein pflanzlich bedeutet einfach nur, dass all deine Nahrung frei von tierischen Produkten ist. Du isst Pflanzen, das ist alles. Ist das nicht vegan? Kommt drauf an!
Wenn du dich für eine rein pflanzliche Ernährung entscheidest, richtest du den Fokus vor allem darauf, wie sich diese Ernährung AUF DICH auswirkt. Du kannst mit einer rein pflanzlichen Ernährung deine Diabetes heilen. Du kannst auch ein paar Pfunde abspecken. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit verringerst du dein Risiko von Herzerkrankungen und Krebs.
Es geht also um dich und darum, wie du die Ernährung zu deinem eigenen gesundheitlichen Vorteil nutzt. Und daran ist nichts verwerflich. Es ist ein fantastischer Grund, deine Gewohnheiten zu ändern und es wird unweigerlich weitere positive Nebeneffekte haben, die weit über deine Gesundheit hinausgehen.
Und dennoch bist du nicht automatisch vegan, nur weil du dich rein pflanzlich ernährst.
Wer is(s)t „vegan” und warum?
Eine vegane Ernährung kann deckungsgleich mit einer rein pflanzlichen Ernährung sein. Bei der Wahl der täglichen Lebensmittel kann sie sich allerdings stark unterscheiden. Du kannst vegan sein und dabei nichts als Pommes und Coca-Cola konsumieren. Du bist dann vegan, wenn es dir darum geht, das Leid von Tieren zu minimieren. Aus der Perspektive kannst du theoretisch ausschließlich Junkfood essen, solange dabei kein Tier zu Schaden kommt.
Und genau darum ist eine vegane Ernährung auch nicht zwingend mit einer gesunden Ernährung gleichzusetzen. Das ist der Hauptunterschied zwischen veganer vs. pflanzlicher Ernährung. Veganismus ist eine Kategorie, ein Label, bei dem es nicht um die eigene Gesundheit geht.
Veganer essen immer rein pflanzlich, aber Menschen mit rein pflanzlicher Ernährung sind nicht zwingend vegan. Denn Veganismus umfasst nicht nur das Essen. Alles, was dir im Leben begegnet, kann vegan oder nicht-vegan sein.
Was Kleidung und Kosmetik angeht, ist es heutzutage einfach, vegane Produkte zu erkennen. Nehmen wir ein Shampoo als Beispiel. Enthält es zwar keine tierischen Bestandteile, wurde aber an Tieren getestet, ist es nicht vegan.
Aber es geht noch weiter. Ist dein Auto vegan? Kann man überhaupt vegan sein, wenn man ein Auto besitzt? Sind öffentliche Verkehrsmittel vegan? Man kann dies wirklich ad absurdum führen. Und die ultimative Frage, die viele Nicht-Veganer so lieben: Ist es überhaupt möglich, 100 % vegan zu leben?
Ist völliger Veganismus überhaupt möglich?
Die simple Antwort ist: Ja! Denn Veganismus bedeutet nicht, dass man ausnahmslos jeden Schmerz oder Schaden für Tiere verhindern kann. Vielmehr geht es darum, dieses Ziel mit den bestmöglichen und praktikablen Mitteln zu verfolgen.
Es geht nicht darum, das Wohlbefinden eines anderen Lebens über dein eigenes Leben und deine eigene Gesundheit zu stellen. Wenn du zum Beispiel Kopflausbefall hast, dann solltest du diesen schleunigst bekämpfen, denn er schadet dir.
Wenn du im Wald bist und von einem größeren Tier angegriffen wirst, dann verteidigst du natürlich dein Leben, egal was du dafür tun musst. Und dabei bist du immer noch vegan. Und was, wenn du in dem berühmten Szenario landest, wo du ganz allein mit einem Schwein auf einer einsamen Insel landest?
Ja, du wirst eine intelligentere Unterhaltung führen als mit den Menschen, die dieses ach so alltägliche Szenario (Vorsicht: Ironie) immer wieder als Argument gegen Veganismus vorbringen. Aber wäre die eigentliche Frage nicht folgende: Wenn du keinerlei Waffen oder Werkzeuge auf dieser völlig vegetationslosen Insel bei dir hast, wer gewinnt? Du oder das Schwein?
Vegane vs. pflanzliche Ernährung: Gib dein Bestes, egal auf welchem Weg
Die Realität ist klar: deine reine Existenz kann Verlierer und Opfer hervorbringen. Aber darum geht es beim Veganismus nicht. Es ist ein gigantischer Unterschied, ob du aktiv und aufrichtig darum bemüht bist, Leiden zu verringern, oder ob es dir völlig egal ist.
Niemand muss hier perfekt sein. Du musst keinen perfekten ökologischen Fußabdruck haben, alles und jeden retten, nie wieder über die Wiese laufen, aus Angst, auf ein Insekt zu treten. Du musst nicht auf jedweden Konsum verzichten, weil irgendwo entlang der Produktionskette jemand benachteiligt ist.
Aber du kannst dein Bestes geben. Ganz egal, ob du rein pflanzlich oder vegan lebst oder auch beides gleichzeitig. Alles ist besser, als einfach das Handtuch zu werfen und sich zu sagen, dass man allein eh nichts ändern kann. Denn du wirst eine Menge verändern!
Vielleicht kannst du nicht Millionen von Tieren retten, aber was, wenn du eines retten kannst? Und gleichzeitig andere dazu inspirierst, es dir gleich zu tun? Genau deswegen können diese strikten Kategorien auch problematisch sein.
Egal ob vegan oder rein pflanzlich, beide Begriffe können dich abschrecken, weil du vielleicht von anderen Menschen oder in den Medien etwas Negatives dazu gehört hast. Und für viele, die sich erstmals mit den Begriffen auseinandersetzen erscheint beides radikal und enorm unbequem für das eigene Leben.
Und dann ist es einfacher, laut zu verkünden, kein Interesse am Thema zu haben, statt zuzugeben, dass es einem persönlich schwer fallen würde, die Gewohnheiten zu ändern. Denn dann im Anschluss zuzugeben, dass man dann doch einen Ausrutscher hatte oder nicht durchgehalten hat, wäre ja noch unangenehmer.
Vegane vs. pflanzliche Ernähung – Ich versuche es erst gar nicht…
Lass uns das mal vertiefen, der Liebe zur Psychologie wegen. Stell dir folgendes Szenario vor: Du gibst dir wirklich Mühe, erstmals in deinem Leben vegan oder ein pflanzlich zu leben. Aber es ist so viel schwieriger, als du erwartet hattest, warum auch immer, spielt keine Rolle. Nun fragt dich jemand, warum du nicht vegan bist. Welche Art von Antwort würde dir eher über die Lippen gehen?
- Oh, ich war mal vegan und es ist einfach nichts für mich. Veganismus ist so drastisch und langfristig gar nicht möglich und sowieso nicht gesund. Für manche Menschen ist es vielleicht das Richtige, aber aufgrund von XY nicht für mich. Man kann eh nicht perfekt sein.
oder:
- Ich habe es versucht und es hat mich dazu motiviert, jeden meiner Schritte zu hinterfragen. Es fällt mir wirklich schwer, meine Lebensgewohnheiten so stark zu ändern. Ich könnte vielleicht 50 % vegan sein, aber mehr nicht. Aber ich werde so vegan wie möglich sein, auch wenn ich dann per Definition eigentlich nicht richtig vegan bin.
Sofern du dir sicher sein kannst, dass dein Gegenüber dich nicht verurteilt, würde die zweite Erklärung vermutlich von Herzen kommen und deinem Empfinden nach womöglich eine persönliche „Schwäche” entblößen.
Aber in den meisten zwischenmenschlichen Begegnungen ist die erste Art der Rechtfertigung viel bequemer. Warum das so ist, werden wir in einem anderen Artikel aufgreifen.
Doch stell dir vor, du bist so mutig bzw. es liegt einfach in deinem Charakter, eine Erklärung der zweiten Art zu liefern. Bist du vegan, wenn du nur 50 % vegan bist?
Kann ich halb-vegan sein?
Nach strenger Definition: Nein, kannst du nicht. Genauso wenig wie du 50 % schwanger oder 50 % lebendig sein kannst. Macht es aber einen Unterschied, wenn du bei 50 % deiner Mahlzeiten auf Tierprodukte verzichtest? Ohja! Egal, ob du tausende Tierleben schützt oder nur eines, es ist mehr als gar keines.
Bezogen auf das Thema vegane vs. pflanzliche Ernährung kannst du also korrekterweise sagen, dass du dich zu 50 % pflanzlich ernährst. Dadurch wirst du nicht vegan, aber es gibt auch keine logischen Widersprüche.
Deswegen sage ich dir, lass dich nicht von Kategorien, Definitionen, Zahlen oder konkreten Zielen einschüchtern. Sei vegan, sei rein pflanzlich, sei beides oder sei von beidem ein bisschen. Es ist völlig egal. Und wenn du bis hierher gelesen hast, dann bedeutet dir das Thema etwas und damit bist du schon einen großen Schritt weiter als die meisten.